Wie Sie eine Auseinandersetzung gewinnen
Dies ist ein Folgeartikel zum Beitrag Mit schwierigen Verwandten umgehen, der die Grundlage zu diesem Artikel bildet. Sie sollten ihn also unbedingt zuerst lesen. Andernfalls werden Sie wahrscheinlich die Zusammenhänge in diesem Artikel nicht verstehen. Wenn Sie erwarten, dieser Artikel handelt davon, wie Sie mit Ihren Mitarbeitern debattieren, kommen Sie aus dem falschen Kontext hierher. Lesen Sie zuerst Mit schwierigen Verwandten umgehen!
Wie gehen Sie mit einer Situation um, in der jemand Sie immer wieder in ein Streitgespräch verwickelt, das Sie scheinbar nie gewinnen können?
In einer typischen Diskussion versucht jeder zu beweisen, dass er Recht hat und der andere falsch liegt. Wir wissen natürlich alle, was am Ende passiert - jeder versteift sich noch mehr auf seine Sichtweise, ungeachtet dessen wer das bessere Argument liefert.
Eine Auseinandersetzung kann nicht mit Widerstand gewonnen werden. Sie stärken nur die Entschlossenheit des anderen. Im besten Fall werden Sie beide stur auseinander gehen, aber es wird nur wenig Kommunikation stattgefunden haben.
Eine Auseinandersetzung gewinnt man, indem man ein anderes Ziel verfolgt, als das, Recht zu haben. Der andere ist darauf eingestellt, dass er sich gegen jemanden verteidigen muss, der Recht haben will. Beweisen zu wollen, dass man selbst Recht hat und der andere falsch liegt ist vergleichbar mit einem Frontalangriff auf eine verschanzte, feindliche Stellung. Sie werden übermächtige Kräfte brauchen, um zu gewinnen und der Preis für den Sieg ist hoch, wenn Sie überhaupt einen erringen. Zusätzlich zerrütten Sie die Beziehung.
Also anstatt Recht haben zu wollen, fand ich heraus, dass es - um eine Auseinandersetzung zu gewinnen - das Beste ist, ein völlig anderes Ziel zu verfolgen. Das hat bei mir jedes Mal funktioniert und ich habe es dutzende Male angewendet.
Wenn Sie also nicht versuchen eine Auseinandersetzung zu gewinnen, was ist dann Ihr Ziel? Ich empfehle Ihnen Ihr Ziel darauf auszurichten, das Bewusstsein Ihres Gegenübers zu erhöhen und gleichzeitig selbst ein Gefühl von innerem Frieden aufrecht zu halten. Damit meine ich, dass Sie dem anderen helfen, sich des vollen Ausmaßes seines Verhaltens und wie es auf Sie und andere wirkt bewusst zu werden, jedoch ohne irgendetwas von dem aufzugreifen, was er sagt.
Das bedeutet, Sie richten Ihren Fokus auf die andere Person und ihr Verhalten. Wann immer der andere versucht, Sie in eine negative Rolle zu drängen, weichen Sie seinen Kommentaren aus und leiten seine eigene Energie an ihn zurück. Das ist eine Art verbale Kampfkunst. Verteidigen Sie sich niemals gegen die Kommentare des anderen. Leiten Sie sie einfach an ihn zurück.
Mit anderen Worten - attackieren Sie niemals. Sie leiten lediglich den Angriff des anderen immer wieder an ihn zurück. Sie werden zu einem Spiegel. Je mehr also der andere Sie angreift, desto mehr schwächt er sich damit selbst. Niemand kann sich lange selbst ohrfeigen.
Wenn jemand mich in einer Auseinandersetzung angreifen würde, würde ich einfach etwas sagen wie „Du scheinst dich darüber ziemlich aufzuregen. Warum glaubst du, ist das so?“ oder „Du meinst also, meine Anliegen jederzeit ignorieren zu dürfen, sobald du mit ihnen nicht übereinstimmst, richtig?“ oder „Möchtest du weiterhin so über diese Situation denken?“ oder “Findest du, dass dein Verhalten mir gegenüber ehrenhaft und respektvoll ist?“.
Konzentrieren Sie sich weiter auf die andere Person und ihre Gefühle, nicht auf Ihre eigenen. Aber greifen Sie nichts von dem auf, was der andere sagt. Lassen Sie es einfach durch Sie hindurch gleiten wie ein Messer durch Wasser - und auf der anderen Seite wieder austreten. Bildhaft gesprochen, befragen Sie die Person weiter über das Messer in ihrer Hand und ihre Gefühle diesbezüglich.
Üblicherweise wird der andere alle Fragen mit den Worten „Weil du…“ beantworten. Mein Ziel ist es, dem anderen zu helfen, sich auf seine eigenen Gefühle zu konzentrieren. Dass ich einen Fortschritt mache, weiß ich, sobald seine Antworten mit „Weil ich…“ beginnen. Ich helfe ihm, seine Gefühle anzunehmen.
Erinnern Sie sich, wenn Ihnen jemand ein Geschenk anbietet und Sie es ablehnen, gehört das Geschenk noch immer dem anderen. Das gleiche gilt für Beleidigungen und verbale Attacken. Damit der Angriff treffen kann, müssen Sie das „Geschenk“ annehmen. Lehnen Sie das „Geschenk“ einfach ab und der andere wird keinen einzigen Treffer landen, egal wie sehr er es versucht. Seien Sie wie Luft oder Wasser – beim Versuch Sie anzugreifen, verschleißt der Angreifer sich dabei lediglich selbst.
Dazu gehört Übung, aber es funktioniert überaus gut. Der Schlüssel ist, sich in einen Zustand des Mitgefühls und der Empathie zu versetzen und sich darauf zu besinnen, dass die Negativität nichts mit Ihnen zu tun hat – es ist ein innerliches Problem der anderen Person. Was der andere also auch immer sagt, Sie schicken es zurück zu ihm. Das bewirkt die Erhöhung des Bewusstseins des anderen. Viele Menschen können damit nicht umgehen, also werden sie sich entweder aufregen oder kapitulieren. Wie auch immer, auf jeden Fall bewirkt es, dass der bisherigen destruktiven Beziehung ein Ende gesetzt wird, und sich etwas Besseres daraus entwickeln kann.
Eine Technik, die ich verwende, um mich darauf zu konzentrieren, das Bewusstsein meines Gegenübers zu erhöhen, ist, dass ich mir ein Bild des höheren Selbst dieser Person vorstelle. Ich stelle mir diese Person in ihrer bestmöglichen Form vor – ihre Seele, wenn Sie so möchten – die mit uns im Raum schwebt wie eine Erscheinung. Dann stelle ich mir vor, ich würde die Gedanken dieses höheren Selbst empfangen und ihm ermöglichen, durch mich zu sprechen und diese Fragen zu stellen. Das ist verblüffend wirkungsvoll, es funktioniert so gut, dass ich mich frage, ob ich tatsächlich eine Art höheres Selbst anzapfe. Ich habe gelernt, den Worten, die mir plötzlich in den Sinn kommen zu vertrauen und sie auszusprechen, auch wenn sie logisch gesehen als nicht richtig erscheinen. Die Fragen und Bemerkungen helfen dem anderen unweigerlich, stärker mit seinem höchsten und besten Selbst in Einklang zu kommen. Er beginnt sein Verhalten und die Beziehung in einem ganz neuen Licht zu sehen und das führt oft zu einem emotionalen Zusammenbruch, Tränen sind ganz normal.
Es gibt zwei Möglichkeiten,
wie diese Gespräche enden:
1) der andere kann mit der Situation nicht umgehen und läuft davon oder
2) er erlebt eine Art emotionale Befreiung, die es ermöglicht, die Beziehung zu heilen.
Nummer zwei ist meistens das Ergebnis, wenn das Beziehungsband relativ stark ist und Nummer eins, wenn es eher schwach ist. Erfahrungsgemäß dauert es etwa zwei bis drei Stunden an Gespräch, um zu Ergebnis zwei zu kommen. Wenn es aber Nummer eins wird, ist es auch ok. Verfolgen Sie einfach weiterhin bei jedem Zusammenstoß diese Strategie und Sie werden entweder irgendwann Nummer zwei erzielen – oder die andere Person ist endgültig davon abgeschreckt mit Ihnen jemals wieder zu diskutieren.
Falls Ihnen für so etwas die Zeit fehlt, dann könnten Sie vielleicht eine Kurzversion verwenden, um die Konfrontation einfach zu verschieben. Oder die Beziehung ist so lose, dass es sich nicht auszahlt, das Bewusstsein des anderen zu erhöhen. In diesem Fall können Sie dem Angriff einfach mit Humor ausweichen, oder ihn überhaupt ignorieren.
Es bedarf Übung und Geduld, um diesen Lösungsansatz anzuwenden und es liegt an Ihnen, einen hohen Bewusstseins-Zustand aufrecht zu halten und sich auf bedingungslose Liebe und Mitgefühl für den anderen auszurichten. Sie sollen sich nicht eine dicke Haut zulegen, sondern vielmehr eine reflektierende oder gar keine. Sie müssen sich in einen Zustand der Unverwundbarkeit versetzen. Das wird den anderen unendlich frustrieren, aber genau das ist der Punkt – lassen Sie den anderen seine negative Energie verbrennen, indem Sie ihn an der Luft baumeln lassen. Wenn er ermüdet bricht seine Deckung zusammen. Aber anstatt dann anzugreifen versetzen Sie sich in ihn hinein, verbinden Sie sich mit ihm und helfen Sie ihm, sich wieder mit seinem wahrsten und besten Selbst zu verbinden.
Mir ging diese Art zu kommunizieren in Fleisch und Blut über. Immer wenn ich von jemandem angegriffen werde, der eine Auseinandersetzung provozieren will, sehe ich es als einen Schrei nach Hilfe. Diese Person ist nur abgeschnitten von ihrem wahren Selbst und meine Aufgabe (außer Zeit geben) ist es, ihm zu helfen, sich wieder zu verbinden. Das kann ich nicht, wenn ich mit dem anderen in den Ring steige. Aber ich kann ihn in der Luft baumeln und abdampfen lassen bis er bereit ist, seinen Schattenseiten, die ihm Probleme machen ins Auge zu sehen und dann kann er sich wieder verbinden und heil werden.
Wenn Sie es bei dieser Vorgehensweise nicht schaffen, sich selbst auf einen hohen Bewusstsein-Zustand zu halten ohne vom anderen in die Negativität gezogen zu werden, dann haben Sie hier eine andere Situation, eine, die Sie nicht auf der Ebene von der in diesem Beitrag die Rede ist, lösen können. Ich werde bald einen weiteren Beitrag dazu schreiben.
Übersetzung von ProblemImGriff, Original von Steve Pavlina:
„How to Win an Argument“
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